Entlaufen ist nicht gleich vermisst!


Heute wollen wir Ihnen zwei Fälle aus unserer Tierschutz-Arbeit vorstellen, die zwar nahezu gleich beginnen, dann aber einen gänzlich unterschiedlichen Verlauf nehmen.
Die erste Geschichte handelt von der Schnauzer-Mix-Hündin Gretel, einer ehemaligen Straßenhündin aus Portugal. Dort kümmerte sich ein junger Mann um sie, der aber keinen festen Wohnsitz hatte und sie im März 2005 schließlich (gemeinsam mit ihrem Sohn) im Tierheim abgab. Im Mai 2005 durfte sie mit uns nach Deutschland und fand vorübergehend für zwei Wochen Aufnahme in einem Tierheim, bis wir selbst wieder Platz für sie hatten. Leider wurde sie durch diese vielen Umstellungen verunsichert und reagierte fortan ängstlich in fremden Situationen.
Trotz dieser Ängstlichkeit fanden sich Interessenten für sie, die bereits einen Hund von der Tierhilfe ohne Grenzen e.V. besitzen. Auch dieser Ersthund war bei der Vermittlung etwas scheu und zurückhaltend gewesen, doch die Familie hatte dieses Verhalten super in den Griff bekommen und das Tier hatte bald ein solches Selbstvertrauen entwickelt, dass die Anfangsprobleme schnell vergessen waren.
Das waren natürlich ideale Voraussetzungen für unsere Gretel, denn diese Menschen verfügten über Erfahrung und versicherten uns, dass sie ihr die nötige Zeit lassen würden. Also gaben wir ihnen unser Sorgenkind mit einem guten Gefühl mit.
Am nächsten Abend kam dann der Anruf, dass Gretel am Vortag wenige Stunden nach ihrer Ankunft aus der Haustür geschlüpft und voller Panik spurlos verschwunden sei. Er habe sie zwar sofort gesucht, konnte sie aber nicht mehr ausfindig machen und habe nach etwa zwei Stunden aufgegeben.
Für uns war es nicht recht nachvollziehbar, warum dieser Mann erst nach über 24 Stunden Bescheid gegeben hatte über Gretels Verschwinden, obwohl doch im Vertrag ausdrücklich steht, dass dieses im Bedarfsfall sofort erfolgen muss. Aber wie dem auch sei, wir machten uns sofort auf den Weg, um sie zu suchen. Uns schwante Fürchterliches, denn der Weg zur Autobahn ist nicht weit und sie war in diese Richtung gerannt.
Auch unsere Suche blieb zunächst ergebnislos, doch wir verteilten Suchplakate und machten so viel Helfer wie möglich mobil, um nach Gretel Ausschau zu halten. Eine riesige Enttäuschung war dabei der neue Besitzer, der sich in keinster Weise an unseren Bemühungen beteiligte. Er stahl sich still und heimlich aus der Verantwortung, obwohl wir ihn bei der Übergabe von Gretel noch instruiert hatten, damit genau so eine Panikreaktion nicht passieren sollte.
Inzwischen wurde Gretel auch wiederholt gesichtet und wir konnten eine Strecke rekonstruieren, die sie immer und immer wieder ablief. Es bestand höchste Gefahr, dass sie bei ihren zahlreichen Straßenüberquerungen zu Schaden kommen könnte. Sie war aber so verängstigt, dass sie niemanden an sich herankommen ließ und stets die Flucht ergriff, sobald sie einen potentiellen Fänger sah. Dieses Spielchen trieben wir mehrere Tage. Ihr Schlafplatz war uns mittlerweile bekannt, aber auch dort konnten wir uns ihr nicht nähern.
Als wir schon fast die Hoffnung aufgegeben hatten, erreichte uns eine Meldung über Gretels aktuellen Standort. Diesmal wurde einer unserer Hunde (einer von Gretels Freunden) zur Unterstützung mitgenommen. Mit dessen Hilfe gelang es dann nach fünftägiger Flucht schließlich, Gretel so nah heran zu locken, dass wir sie mit einem Hechtsprung packen konnten.
Wir waren grenzenlos erleichtert. Viele Hundefreunde hatten uns unterstützt und teilweise die halbe Nacht mit der Suche nach Gretel verbracht. Wohlgemerkt: Der eigentliche Besitzer war nicht unter ihnen! Er hatte auch gleich zu Beginn klar gemacht, dass er “diesen Hund” nicht mehr wollte. Abgesehen davon hätten wir ihm Gretel sowieso nicht mehr anvertraut.
Die zweite Begebenheit, die wir Ihnen hier erzählen wollen, dreht sich um die originelle Mischlingshündin Palma. Auch Palma war ein etwas ängstlicher Vermittlungskandidat, wobei sich ihre Scheu eher auf unbekannte Männer begrenzt. Nach einiger Zeit fanden wir für Palma ein geeignetes Zuhause mit verständnisvollen Menschen.
Bereits am ersten Abend im neuen Zuhause genoss sie die Streicheleinheiten ihrer Zweibeiner und zeigte wenig Scheu. Dieses Verhalten ermutigte ihre Menschen, sie am nächsten Tag gleich mit in die Stadt zu nehmen, um eine neue Hundebürste für sie zu kaufen.
Leider war das kein besonders guter Einfall. Als sich nämlich der Verkäufer (wohlgemerkt: ein fremder Mann!) näherte, reagierte Palma panisch und wand sich aus ihrem Halsband. Im nächsten Augenblick war sie im Gewühl der Großstadt verschwunden. Der Verkäufer rannte ihr zwar noch rufend hinterher, doch das bestärkte Palma nur in dem Gefühl, dass sie schleunigst weg müsste.
Das neue Frauchen rief sofort bei uns an und erzählte verzweifelt von ihrem Malheur. Das erinnerte uns natürlich sofort an den Vorfall mit Gretel, doch dieses Mal setzten die neuen Besitzer selbst alle Hebel in Bewegung, um ihren Hund wieder zu finden.
Da wir anderweitig unterwegs waren, konnten wir uns erst am übernächsten Tag an der Suchaktion beteiligen. Doch leider waren diese Versuche nicht von Erfolg gekrönt.
Auch bei Palma wusste die Helferschar bald, wo sie sich regelmäßig herumtrieb. Und auch in diesem Fall bewegte sie sich gefährlich nahe an der Straße. Sie schien ihr neues Zuhause zu suchen, hatte sich aber offensichtlich vertan und streifte stattdessen in einer Querstraße umher. Dann zog sie sich wieder in ein schier undurchdringliches Waldstück zurück und tauchte total unter.
Letztlich hatten die Suche nach Palma so hohe Wellen geschlagen, dass sich sogar einige Taxifahrer an der Aktion beteiligten. Außerdem legte ein Mitarbeiter aus der örtlichen Fasanerie sich vor Arbeitsbeginn gemeinsam mit seiner Freundin und Palmas Besitzern auf die Lauer, um der verschreckten Hündin habhaft zu werden. Die Familie hatte mittlerweile mit Hilfe des Ordnungsamtes bei der Feuerwehr ein großes Netz organisiert, mit dem Palma gefangen werden sollte. Nach stundenlangem Ausharren wollten die Vier schon aufgeben, als plötzlich unsere Ausreißerin auftauchte. Sie entdeckte jedoch die Falle und wollte ins Gebüsch flüchten. Von dort aber kam dann der Fasanerie-Mitarbeiter wild gestikulierend auf sie zu und schaffte es so, sie wieder in Richtung Netz zu scheuchen. Letztlich konnte sie nicht mehr flüchten und erleichtert konnten die Besitzer sie wieder in die Arme schließen.
Der ganze Wirbel um den “verlorenen Hund” wurde auch in der örtlichen Presse aufgegriffen und so kam es, dass Palma sogar eine lokale Berühmtheit wurde.
In diesem Fall war es keine Frage, dass Palma in ihrem neuen Zuhause bleiben würde. Ihre Menschen organisierten nach ihrer Heimkehr sogar ein Fest ihr zu Ehren, wo alle eingeladen waren, die sich an der Suche beteiligt hatten.
Auch wenn es uns natürlich am liebsten gewesen wäre, wenn beide Hunde gar nicht erst entlaufen wären, zeigt sich an diesen Beispielen doch, wie unterschiedlich sich die Menschen verhalten, denen dieses Missgeschick passiert ist.
Wir hoffen, dass sich beim nächsten Mal die Betroffenen so wie Palmas Besitzer verhalten und möchten uns an dieser Stelle noch einmal dafür bedanken, dass diese ihr neues Familienmitglied nicht “abgeschrieben” haben!